Geschichte
des Brüninghauses in Aschendorf
Das „Brüninghaus“ an der Emdener Straße in Aschendorf (Ems) wurde 1910 von Gerhard Telgen und seiner Ehefrau Maria erbaut. Gerhard Telgen stammte aus Neurhede und verdiente seinen Lebensunterhalt als Viehhändler. Maria Telgen war die Tochter des Gast- und Landwirtes Hermann Brüning und dessen Ehefrau Margareta (geborene Schludde). In erster Ehe war Maria mit Heinrich Behrens verheiratet gewesen; beide wohnten im heutigen Haus der Familie Schmitz am Aschendorfer Bahnübergang Emdener Straße/Große Straße und betrieben dort bis zum frühen Tod von Heinrich eine kleine Landwirtschaft.
Nach Marias Heirat mit Gerhard Telgen erwarb das Ehepaar zunächst das Grundstück an der Emdener Straße 38 von Marias Bruder Johann Brüning und errichtete hier ein großzügig angelegtes Bauernhaus im Gulfhausstil, das heutige Brüninghaus. Vom Baugrundstück wurde der Mutterboden bis zu einer Tiefe von 1,80 Meter abgehoben und die so entstandene Freifläche anschließend mit weißem Sand gefüllt. Fundamente in heute gewohnter Ausführung waren damals nicht bekannt. Die Sandoberfläche wurde eingeschlemmt, danach wurden die Mauern errichtet. Der Wirtschaftstrakt des Hauses bot Platz für den Tierbestand eines mittelgroßen landwirtschaftlichen Betriebes. So waren im Jahr 1912 im Brüninghaus insgesamt sechs Kühe, jeweils drei Kälber und Schweine sowie jeweils zwei Rinder, Fersen und Pferde untergebracht.
Das kinderlose Ehepaar Telgen nahm – entsprechend ländlicher Sitte – Marias Nichten Gesina und Angela zu sich; beide waren Töchter von Otto Westrup und seiner Ehefrau Anna (geborene Telgen) aus Papenburg, Friederikenstraße. Gesina heiratete Hermann Brüning aus Aschendorf, einen Neffen Maria Telgens. Dieser erwarb mehrere Grundstücke in Aschendorf und vergrößerte damit seinen eigenen bäuerlichen Betrieb. Maria und Gerhard Telgen beschränkten sich dagegen in den nachfolgenden Jahrzehnten auf die Bewirtschaftung des Brüninghauses. Das kinderlose Ehepaar nahm die Nichte Johanna zu sich; diese heiratete den Aschendorfer Landwirtssohn Johann Eiken. Heute wird der aus dem Ortskern ausgesiedelte Hof von Johann und Johannas Sohn Hermann-Josef Eiken an der Wiesenstraße weitergeführt.
Seine dunkelste Stunde erlebte das Brüninghaus im Jahr 1945. Beim Einmarsch alliierter Truppen in Aschendorf brannte der Hof völlig aus. Ein Jahr später wurde das Gebäude durch den Papenburger Bauunternehmer Eiken wieder aufgebaut. Die Außenmauern blieben (nach einigen Ausbesserungsarbeiten) teilweise erhalten, das Gebinde und der Dachstuhl mussten dagegen völlig erneuert werden. Nach dem Krieg war nicht genügend Baumaterial zur Wiederherstellung des schönen Frontgiebels zu bekommen. Dieser wurde erst später bei der Baumaßnahme „Arbeit und Lernen“ in sorgfältiger Art wieder in seinen ursprünglichen Zustand gebracht.
Idee und Realisierung
Geboren wurde die Idee vom „Sportlerheim Brüninghaus“ Anfang der 80er Jahre. Als der Landwirt Eiken-Brüning aus dem erweiterten Ortskern Aschendorfs ausgesiedelt werden sollte, sahen die Verantwortlichen des TuS Aschendorf die Chance, das zum Abriss vorgesehene Ziegelsteinhaus in unmittelbarer Nähe der TuS-Sportanlage als Clubheim zu erhalten. Schnell reifte danach beim Hauptinitiator Josef Möhlenkamp – seinerzeit TuS-Vorsitzender und Geschäftsführer des Kreissportbundes Emsland – die Vorstellung, das Gebäude über den Vereinsrahmen hinaus für intensive Jugendarbeit zu nutzen. Die Stadt Papenburg stellte dem Verein nach Vorlage der Pläne den Bauernhof unter der Auflage zur Verfügung, bei der Restaurierung die Fassade dieses traditionellen Gulfhauses zu erhalten bzw. wieder herzustellen
Gesagt, getan: Im ersten Bauabschnitt – begonnen am 18. November 1983 – wurden die Außenmauern erneuert sowie zwei große Umkleide- und Sanitärräume mit Nebenzimmern fertiggestellt. In der zweiten Phase folgte der Umbau des Tennen- und Gulfbereichs. Hier wurde die Diele „multifunktional“ als großer bzw. kleiner Versammlungsraum mit ergänzenden Räumen umgestaltet. Weiterhin wurden auf dem Dachboden, dem ehemaligen Erntespeicher, Schlafräume mit insgesamt 35 Betten und den dazugehörigen Sanitäranlagen geschaffen. Ergänzt wurden diese Umbaumaßnahmen durch eine rustikal-sportliche Gestaltung der Hoffläche und der einstigen Wagenremise. Durch eine Neugestaltung des Eingangsbereichs wurde das Brüninghaus anschließend optimal in die Sportanlage des TuS Aschendorf an der Emdener Straße integriert.
Zur Finanzierung seines Vorhabens erbrachte der TuS Aschendorf erhebliche Eigenleistungen, führte mit Erfolg eine große Fliesenaktion durch und animierte die örtliche Geschäftswelt und Privatpersonen zu beachtlichen Spenden. Indes: Ohne die Hilfe der öffentlichen Hand wäre das Ziel nicht zu erreichen gewesen. So leisteten unter anderem die Stadt Papenburg, der Landkreis Emsland und das Land Niedersachsen mit diversen Fördermitteln ebenso wichtige Unterstützung wie der Kreis- und Landessportbund. Sogar vom Amt für Agrarstruktur und der Organisation „Deutsche Jugendmarke“ kam finanzielle Unterstützung!
Von grundlegender Bedeutung war überdies die Bereitschaft des Arbeitsamtes, das „Projekt Brüninghaus“ zu fördern. So stellte das Arbeitsamt im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) fünf erfahrene Bauhandwerker („Husmoakers“) zur Verfügung. Diese älteren, arbeitslosen Fachkräfte gaben ihr Wissen an junge, ungelernte Arbeitslose weiter. Zu diesem Zweck schuf das Arbeitsamt Leer (Außenstelle Papenburg) einen Lehrgang „Arbeit und Lernen“, an dem jeweils 30 Jugendliche teilnahmen. Sie wurden jeweils im Wechsel eine Woche an der Baustelle des Brüninghauses sowie eine Woche auf der Schulbank ausgebildet, wo sie Lerndefizite abbauen und ihren Hauptschulabschluss nachholen konnten. Insgesamt wurden in den zweieinhalb Jahren Bauzeit 64 Jugendliche beschäftigt. Die Lehrgangsteilnehmer bauten das in die Jahre gekommene Gulfhaus in knapp 30-monatiger Bauzeit in ein modernes Sportheim um und ermöglichten sich damit selbst einen qualifizierten Einstieg in das Berufsleben
Das Projekt „Arbeit und Lernen“ in Aschendorf gehörte zu den erfolgreichsten Maßnahmen zur Unterstützung von Jugendlichen ohne Hauptschulabschluss. Die Bundeszentrale für Arbeit in Nürnberg nannte interessierten Gruppen aus dem In- und Ausland diese Arbeitsmaßnahme als Modellfall. Gäste – unter anderem aus Israel, Argentinien, den Niederlanden und Frankreich – ließen sich das Konzept ausgiebig erläutern. Die Deutsche Sportjugend in Frankfurt forderte den TuS Aschendorf auf mehreren Fachtagungen auf, sein Konzept der Arbeitsmaßnahme Brüninghaus und sein soziales Engagement für jugendliche Randgruppen zu erläutern.
Überregional vorgestellt wurde das „Projekt Brüninghaus“ erstmals am 22. Mai 1985 beim traditionellen Jugendempfang des Bundespräsidenten im Park der Bonner Villa Hammerschmidt. Bei einer Modellbesichtigung zeigte sich Bundespräsident Richard von Weizsäcker tief beeindruckt und lobte vor allem den „vorbildlichen Einsatz für die arbeitslosen Jugendlichen“. Auch Bundestagspräsident Philipp Jenninger, Arbeitgeberpräsident Hans-Otto Esser und Handwerkspräsident Paul Schnittker fanden bei dieser Gelegenheit höchst lobende Worte.
Im Januar 1986 wurde der TuS Aschendorf für sein großes Engagement beim „Modell Brüninghaus“ von Landeskultusminister Georg-Berndt Oschatz mit der „Sportmedaille des Landes Niedersachsen“ ausgezeichnet.Zum „Stapellauf“ für das Brüninghaus kam es am 21. Juni 1986. Bei strahlendem Sonnenschein und vor zahlreichen Ehrengästen wurde das in neuem Glanz erstrahlende Brüninghaus offiziell eingeweiht. In seinem Festvortrag bescheinigte Bernd Behnke, Vorsitzender des Fachausschusses Sportliche Jugendsozialarbeit bei der Deutschen Sporthilfe in Frankfurt, dem TuS Aschendorf, mit dem Ausbau des Brüninghauses einen überzeugenden Beitrag für die sinnvolle Beschäftigung und Betreuung junger Menschen geschaffen zu haben. Die würdige Feier im Innenhof des Gebäudes markierte zugleich den Abschluss einer knapp sechsjährigen Phase von der Ursprungsidee bis zur Bezugsfertigkeit des Gebäudes.